Rolf Kliemann

Heff ik dat al vertellt?

In 37 kurzen Geschichten erzählt Rolf Kliemann mit hintergründigem Humor und trockenem Witz von historischen Ereignissen in und um Lüneburg. Die meisten von ihnen wurden zuerst in der Wochenendausgabe der „Landeszeitung“ veröffentlicht.

 

ISBN 978-3-945264-10-2
Erscheinungstermin: November 2021

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Preis: 16,80 €
Paperback, ca. 104 Seiten

Rolf Kliemann

 

ist Jahrgang 1924 und in Lüneburg aufgewachsen. „In meiner Familie wurde kein Platt gesprochen“, erinnert er sich. Seine Kindheit aber verlebte er am Oedemer Weg und half den Bauern dort bei der Kartoffelernte. Gespräche gab es gratis dazu – in der unverwechselbaren Mundart.
Den II. Weltkrieg hat er ab 1942 an vielen Fronten als Infanterist mitgemacht. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft erlernte er das Tischlerhandwerk. 1951 trat er in den Bundesgrenzschutz ein. 1956 wurde er von der Bundeswehr übernommen. Die letzten zehn Jahre seiner Dienstzeit war er als Nachschubstabsoffizier für die Versorgung der 3. Panzerdivision tätig.
Von 1981 bis 1986 war er Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes im Kreis Lüneburg. Seit 1992 lebt er in Kirchgellersen und hat sich für die Samtgemeinde Gellersen als publizierender Heimatforscher betätigt. Auch ein wissenschaftliches Werk mit dem Titel „Salzschiffe der Hansestadt Lüneburg“ ist entstanden.
Vor mehr als 20 Jahren entdeckte er dann beim Lesen einer alten Chronik das Plattdeutsche für sich: „Das ist deine Sprache!“ Seitdem hat er zahllose plattdeutsche Geschichten geschrieben. Von 2006 bis 2016 lektorierte er außerdem die plattdeutsche Rubrik in der „Landeszeitung für die Lüneburger Heide“.
Rolf Kliemann tritt in seinem hohen Alter gelegentlich noch als Vortragskünstler auf. Auf dem Programm stehen dann zum Beispiel ins Plattdeutsche übersetzte Texte deutscher Kabarettisten wie Herbert Knebel (alias Uwe Lyko), Dieter Hildebrandt, Elke Heidenreich und Dieter Nuhr. Die meisten seiner Erzählungen basieren aber auf Themen aus der Geschichte unserer engen Heimat, die viele Überraschungen bietet.



Leseprobe


 

Kopefahrt

Wat hüüt de „Sülfmeesterdaag“ sünd, dat weur vör 80 Johren de „Kopefahrt“. Aver düsse in’t Leven trüchhaalte Kopefahrt hett dat blot eenmal geven: Dunnersdag, den 16. Februar 1939 – hüüt vör 80 Johren. Trüchföhrt weur se op de letzte Kopefohrt von 1629 – 310 Johr vörher! Dorna weur düsse Bruuk in Lümborg inslapen. So ganz stimmt das nich, denn 1927 hett de Handwerkskamer Lümborg ehren Festtoog al „Kopefahrt“ nöömt.
In’n Middeloller hebbt de Pächters vun’e Soltpannen – dat weuren de Sülfmeesters – sik bemöht, ok na buten ehren Riekdom dortostellen. Dor is jem infullen, dat man doch in’e düüstere Tiet twischen Neejohr un Oostern för’n beten Spijöök sorgen künn. Wieldat de Sülfmesters sik mit den Adel verglieken, möss wat her, wat ok för all Lüüd wat hermaken dä. So hebbt se denn jährlich to’e Fastentiet de Kopefahrt maakt. Dorbi wurr ene „Kope“, dat weur en grotet Wienfatt, dat mit Stenen füllt weur, dörch de Stadt bit vör de Salien trocken. De junge Nawass – de Soltjunkers – hebbt hooch to Ross ‒ dat Fatt trocken un denn verbrannt. Wie dat Volk mitfiert hett, is nich överlevert, woll aver dat, wat de Sülfmeesters in’n „Schütting“ för sik un ehre Familien opdischt hebbt. Ik griep ut’e List maal rut: 100 Höhner, 10 Swien, 3 Kalver, 8 Schaap, 3 Hirsche, 1 Wildswien un 4 Tonnen Beer.

Vör’n tweten Weltkreeg harrn nu en poor Lümborgers den Infall, doch mal wedder ’ne Kopefohrt to maken. Ganz ahn Partei güng dat dormals natüürlich nich. Aver mit den Gedanken in’n Achterkopp, dat dat Fest ja’n middelöllerlichen Charakter hebben schull, hebbt se denn de NS-Organisatschoon „Kraft durch Freude“ dormit beopdraagt. Un de Lümborger Börgers hebbt se een Johr vörher eerstmal vertellt, wat se dor vörharrn.

Ene Kopefohrt? Ja nu, dat harr jeder in’e Stadtchronik nalesen köönt wat dat mal ween is. Aver de mehrsten Lümborgers harrn dorvun noch nie nich wat höört. Na goot, hebbt se seggt, denn hebbt wi hier ok mal so’ne Oort Karneval. Dor maakt wi mit. Ener hett sogor ’n Leed dicht: „Rund um den langen Johannes“.

 

Ik sülvst bün in den Tog mit mien Frünnd as „Vader un Sohn“ mitlopen. Nich jichtenseen Vader un Söhn! Nee, „Vader un Sohn“ weuren ganz bekannte Karikaturen in’e Zeitungen. Jedereen an’n Stratenrand hett uns foorts kennt.

Kiekt wi doch mal in’t Archiv vun’e „Lümborger Anzeigen“: Över den Festtog schrifft dat Blatt, dat Herolde in historische Dracht den Tog anföhrten. Dorna keum dat Spann mit dat Kopefatt. Achterna güngen de „Sülfmeester“ un Ratsherren. En groten Deel vun’n Tog neuhmen Gestalten ut de Märken- un Sagenwelt in: Fro Holle hett vun’n Wagen rünner Feddern streut, Max un Moritz sünd rümsprungen, de söven Dwargen hebbt mitmaakt un Struwelpeter weur ok dorbi. Bunte Narren un Radslagers geev dat natüürlich ok.
Twischendörch weren jümmers Danzgruppen mit ehr egen Musik to sehn. Op’n Sand hett de Tog Halt maakt un de Danzgruppen kunnen dor ehre Künst bewiesen. Dat geev Festwagens mit Lümborger Staffelgevel un en Schaapstall mit’n Immen-tun. Suldaten ut’e Tiet von Friedrich den Groten weuren ok to sehn. De Sluss maken Rieders mit ’ne Hunnenmeute. To’n Sluss hebbt se denn op’n Markt en anneret Holtfatt verbrand.
Avens leten de Lümborgers dat denn richtig krachen. All Danzsalen as in’n Schüttenhuus (Schüttenkorps), Tivoli (SV-Eintracht), Bahnhofshotel (Museumsvereen), Huus vun’e „Düütsche Arbeitsfront“ (Saline un LSK), Treubundhalle (SV Treubund), Kurpark (Tennisvereen), Mönchsgarten (MTV) un Meyers Garten (MTV) weuren proppenvull un mössen jichtenswann slaten warrn.
Dat Koopefest weer’n groten Gewinn för de Stadt un ehre Börgers. De Börgers hebbt seggt: Dat maakt wi neegst Johr wedder. Dat hett jem denn Hitler vermasselt. Un nich blot dat.